Wie bewerten die Tarifpartner die Medienberichterstattung?

„Das ist etwas, worüber ich mich dann schon sehr ärgere (…) Sensationsgier hin oder her, schlechte Nachrichten oder Aufreger verkaufen sich ja besser als keine - da muss die Presse schon mal gucken, was tut sie dem Berufsstand an, auch den Menschen, die dort arbeiten, die ihr Wertgefühl auch aus ihrem Job gewinnen. Sie tun denen nichts Gutes (…) der Tarifkonflikt geht aus, wie er ausgeht. Aber der Wertverlust bleibt eventuell, also der Imageschaden, gerade auch für die Arbeitnehmer (…).“ (Verhandlungsexperte/in auf Arbeitgeberseite)

 

Mediale Berichterstattung über Tarifpolitik wird größtenteils als vereinfacht und wenig hintergrundreich wahrgenommen. Journalist:innen würden insbesondere konfliktbehafteten und gut visualisierbaren Themen viel Aufmerksamkeit schenken. Zwar kann positive Medienresonanz maßgeblich zum Erfolg eines Tarifkonflikts beitragen. Angesichts der Orientierung der Medien an den konfliktbehafteten Aspekten von Tarifverhandlungen besteht für die Tarifpartner allerdings auch das Risiko, unvorteilhaft dargestellt zu werden. Daraus resultiert das Bedürfnis der Verhandelnden, die öffentliche Debatte stärker kontrollieren zu können.


Zu großen Teilen wird die Berichterstattung über Tarifpolitik von den Tarifexpert:innen als vereinfacht und wenig hintergrundreich wahrgenommen. Bemängelt wird insbesondere die geringe Initiative von Journalist:innen, Zusammenhänge herzustellen, um so der Komplexität der Thematik gerecht zu werden. Stattdessen würde die Medienberichterstattung einfachen Mechanismen folgen: Was sich gut visualisieren lasse, werde bevorzugt. Den Interviewten zufolge beruhe die Medienberichterstattung außerdem auf einem Gut-Böse-Schema und würde konfliktbehafteten Aspekten (zu) viel Aufmerksamkeit schenken.

Grundsätzlich wird öffentliche Aufmerksamkeit von den Tarifakteur:innen als ein zweischneidiges Schwert wahrgenommen: Einerseits kann Aufmerksamkeit und wohlwollende Berichterstattung maßgeblich zum Erfolg im Tarifkonflikt beitragen. Andererseits besteht auch immer das Risiko, dass aus der Fokussierung auf die konfliktträchtigen Aspekte der Tarifverhandlung eine unvorteilhafte Darstellung der Beteiligten resultiert. Daraus entsteht der starke, zugleich aber als „illusorisch“ abgetane Wunsch, die Entwicklung der öffentlichen Debatte kontrollieren zu können.

Selbst wenn den Medien keine direkte Bedeutung im Verhandlungsverlauf zugestanden wird, sprechen die Tarifexpert:innen ihnen zumindest einen indirekt Einfluss auf das Verhandlungsgeschehen zu: Grundlage dafür ist die Annahme, dass die Berichterstattung starken Einfluss auf die eigenen Mitglieder hat. Deren Sicht wiederum gilt es im Verhandlungsverlauf stets im Auge zu behalten.

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