Was ist den Tarifpartnern in der Verhandlungssituation wichtig? Gibt es Wechselwirkungen zwischen dem, was am Verhandlungstisch passiert, und dem, was öffentlich kommuniziert wird?

„Es muss mit offenerem Visier verhandelt werden, es müssen Sachen auch angesprochen werden, die vielleicht nicht jeder wissen sollte, ohne dass das gleich in die Öffentlichkeit kommt. Also ich denke mal, die Verhandlung selbst sollte schon auch geheim sein.“ (PR-Experte/in auf Gewerkschaftsseite)

 

„Sie gewinnen keine Tarifrunde, wenn nicht - sagen wir mal - zumindest im Verlaufe des Gesamtvorgangs (…) 4, 5, 6 Mal die Tagesschau drüber berichtet hat." (PR-Experte/in auf Gewerkschaftsseite)

 

Grundsätzlich ist man um ein faires, vertrauensvolles Verhältnis auf Augenhöhe mit dem oder der Verhandlungspartner:in bemüht. Gleichzeitig will man das bestmögliche Ergebnis für die eigenen Mitglieder aushandeln und geht bereits frühzeitig auf Medien zu, um sich ihre Aufmerksamkeit und Unterstützung zu sichern. Zwar gilt der Ausschluss der Öffentlichkeit als zentral für den Verhandlungserfolg. Dennoch bestehen Wechselwirkungen zwischen Verhandlungstisch und Medienöffentlichkeit. Diese äußern sich in mehr oder weniger strategischen Maßnahmen, die auf die Öffentlichkeit oder den Gegner abzielen. So werden beispielweise Argumente aus der Verhandlung vorab öffentlich lanciert und als Versuchsballon in der öffentlichen Arena getestet. An vorderster Stelle steht jedoch der Erhalt eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen den Sozialpartnern, das durch Maßnahmen, wie „Leaking“ eher gestört würde.


Der zentrale Modus operandi am Verhandlungstisch ist der Austausch von Forderungen und Angeboten. Dabei ist man grundsätzlich um ein faires, vertrauensvolles Verhältnis auf Augenhöhe zwischen den Sozialpartnern bemüht, will aber gleichzeitig die bestmögliche Lösung für die eigenen Mitglieder aushandeln.

Grundsätzlich stellen die Interessen und Sichtweisen der eigenen Mitglieder den Referenzpunkt für die Überlegungen der Verhandlungsexpert:innen dar. Ihre Zustimmung ist die wichtigste Legitimationsgrundlage für einen Verhandlungsabschluss. Es ist daher essenziell, die eigenen Mitglieder am gesamten Verhandlungsprozesses teilhaben zu lassen und über alle wichtigen Entwicklungen zu informieren. Typischerweise werden Informationen ausführlich über organisationseigene Kommunikationswege an die Mitglieder weitergegeben. Wie erfolgreich die Organisationen mit ihren internen Informationswegen sind, unterscheidet sich allerdings von Organisation zu Organisation teilweise gravierend. Als zusätzliche und manchmal sogar primäre Informationsquelle leisten deshalb auch öffentliche Medien einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Kommunikation und damit letztlich auch zur Legitimation in der Anhängerschaft.

Obgleich der Ausschluss der Öffentlichkeit in den Verhandlungen den Expert:innen zufolge eine zentrale Voraussetzung für den Verhandlungserfolg darstellt, werden Medien also sehr wohl aktiv eingesetzt, um die eigene Mitgliederbasis zu informieren.

Die Medien können aber auch Entscheidungen am Verhandlungstisch mit beeinflussen. Die Tarifpartner:innen beobachten die Inhalte der Berichterstattung nämlich sehr genau, achten auf die Kommentierung der Journalist:innen und versuchen herauszulesen, welcher Seite im Tarifkonflikt öffentlich eher zugesprochen wird. Die Tarifexpert:innen ziehen daraus Rückschlüsse für das eigene strategische Handeln: Die Strategie wird im Verlauf der Verhandlungen so angepasst, dass man die öffentliche Stimmung möglichst zum eigenen Vorteil nutzen kann. Öffentlichkeitswirksam agieren die Tarifpartner, wenn beispielweise brisante Informationen aus den Verhandlungen „geleaked“, d.h. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Leaking-Strategie ist, dass ein öffentliches Interesse an der jeweiligen Verhandlung besteht. Wenn es gelingt, mit den geleakten Informationen mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen, dann kann Medienberichterstattung den Druck auf das Gegenüber erhöhen und somit dessen oder deren Handlungsoptionen einschränken. Allerdings riskiere man, für den kurzfristigen strategischen Vorteil das langfristig wichtige Vertrauensverhältnis zum Verhandlungsgegenüber nachhaltig zu beschädigen.

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